Temporäre Inkompatibilität als Agens der evolutiven Entwicklung

von Harald Picker und Klaus Rückert, Akademie für Psychoanalyse

Die dem Forschungsbeirat für „Evolution des Wissens durch Wissenschaft“ vorliegende Theorie der beiden Psychoanalytiker aus Wien knüpft direkt an die „Todestriebtheorie“ Sigmund FREUD’s an.

FREUD hatte – bis heute weitgehend unverstanden – seine Todestriebtheorie auf der wissenschaftlichen Zellbiologie begründet, indem er die Tatsache des Spannungsaufbaus und der Tendenz zum Spannungsabbau, die in der Zellbiologie dynamisch das Leben der Zelle bedingt, als den Spannungsbogen zwischen Bios und Thanatos ansah, an dessen Ende der totale Spannungsausgleich stünde. Diese Tendenz zum unwiderruflichen Spannungsausgleich ist jener „Trieb“, der von FREUD eben als „Todestrieb“ in die Psychoanalyse eingeführt und seitdem häufig missverstanden, neuerdings in einer Art ideologischer Ödipalreaktion bestritten wird.

Dankenswerterweise ist es den beiden Autoren gelungen, mit der Theorie der Inkompatibilität den Ansatz FREUDS neu aufzugreifen und nunmehr zu vollenden.

Die Evolution bedürfe der Inkompatibilität der Objekte, die jene „Störungen“ und „Spannungen“ herbeiführen, die zum Versuch des optimalen Spannungsausgleichs führt, was ausschließlich durch Schritte der Evolution ermöglicht wird.

Da jedoch die Spannung zwar „todestriebig“ sich auszugleichen beginnt, schließlich aber die von PICKER beschriebene und von RÜCKERT nachgewiesene „Restspannung“ zu erneuter INKOMPATIBILITÄT aufwellt ( s. „Wellentheorie bei Picker-Rückert), ist die Evolution erneut impulshaft angeregt und führt zu weiteren Entwicklungsschritten.

Es würde hier zu weit führen und soll daher nur angemerkt werden, dass vor allem RÜCKERT in zahlreichen Untersuchungen den sozialpsychiatrischen Bezug dieser Theorie aufgezeigt hat. Die Bemühungen der Sozialpsychiatrie KOMPATIBILITÄT zwischen Gesellschaft und Individuum herzustellen, darf nur soweit gedeihen, als jene „Evolutionsgenetische Restspannung“ (s.o.) zu erneuten Innovationsimpulsen führt.

Picker/Rückert: Workshop August O4:
„Inkompatibilität“ als Bezugsbegriff zur Falsifikation Sir POPPERs

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