Bildung ja – aber welche?

Zum Thema Bildung hat offenbar jeder etwas zu sagen: Bildungskonzepte werden herumgereicht, in den Medien und im Parlament diskutiert und wieder verworfen, ein Bildungsvolksbegehren ist im Anmarsch, Hype-Themen kommen und vergehen.

Was wir nicht schaffen ist die Aktion, d.h. die reale Umsetzung der bereits vorhandenen Programme und Visionen. Verstrickt in ihre Partikularinteressen blockieren sich Lehrervertreter, politsche Parteien, Landeshauptleute, Bildungsgewinner und Bildungsverlierer gegenseitig. Bildung ist ihr Spielball. Paralysierte Bildungspolitik und ideenlosen Bildungsbürokratie führen zur Bildungsmisere.

Die Betroffenen - SchülerInnen , StudentInnen, bildungsinteressierte Erwachsene scheinen (noch) ohnmächtig, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie die Entscheidungen selber in die Hand nehmen und die Freiheit für ihre Entfaltungsmöglichkeiten einfordern.

„Uni-brennt“ setzte hier ein erstes, kräftiges Zeichen!

Die 3 Baustellen der Bildung

  • Gemeinsame Schule für 10-14 Jährige
    Altersmäßig völlig überforderte 10-jährige Kinder werden für eine akademische oder eine praktisch-handwerkliche Berufslaufbahn selektiert. Damit verfestigt das duale Bildungssystem die Produktion bildungsferner Bevölkerungsschichten.

    Schule, scheinbarer Ort des Lernens und der Entfaltung persönlicher Fähigkeiten und Interessen fungiert in der Realität als Institution zur ungerechten Verteilung von Bildungschancen. Immer weniger Jugendliche gehen in Lehrberufe, weil dieser Karriereweg unattraktiv ist. Niemand will Verlierer sein!

    Vielleicht müssen die Betroffenen gerechte Bildungschancen bei den verantwortlichen Bildungspolitikern und -Bürokraten einfach einklagen, damit diese Baustelle endlich geschlossen wird. Schmerzensgeld und Verlust an Karrierechancen wären der Streitwert.

  • Bologna-Modell
    Die Bolgogna – Reform ist nun 12 Jahre alt und hat im europäischen Hochschulwesen Vorteile, u.a. in der Vereinheitlichung der tertiären Bildungssysteme und in der Mobilität der Studierenden und Lehrenden gebracht.

    Reden wir auch über die Nachteile: Verschulung des Studiums, Transformation von Bildung in Ausbildung, qualitätsmindernder Leistungsdruck für Studierende und Lehrende.

    Bildungsinhalte in Form von Schulung der Wahrnehmung, der Kritikfähigkeit und des autonomen Denkens bleiben auf der Strecke. Das Studium wird zum Ausbildungstraining! Die Auswirkungen sind gravierend: wenn Menschen nicht mehr kritisch Denken lernen, wird das demokratische Zusammenleben, als Fähigkeit in ständigen Widersprüchen zu leben, gefährdet.

  • Höhere Berufsbildung
    Gibt es für akademisch sozialisierte Berufstätige eine Fülle von Weiterbildungsangeboten (MSc, MBA etc.), so besteht für beruflich sozialisierte Menschen (Lehre, Meister) kein vergleichbares Angebot, sie werden in Universitätslehrgängen fallweise „geduldet“, was für sie eine unfaire Entwertung darstellt.

    Hier bedarf es einer Emanzipation der höheren Berufsbildung. Elitäre Abgrenzungsmanöver durch akademisch Priviligierte müssen fallen!

    Im Rahmen des „Lebenslangen Lernens“ wäre die gleichberechtigte gemeinsame Weiterbildung anzustreben. Wissenschaft soll die Praxis und Praxis die Wissenschaft bereichern.

 

Dr. Klaus Rückert, www.bildungsmanagement.ac.at

Aus: AHS aktuell Nr. 178, Juni 2011

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