Mit der Festlegung der Lebens- und Sozialberatung als gebundenes Gewerbe (GWO Par.11,1990) sollte der Verantwortlichkeit der BeraterInnen den KlientInnen gegenüber Rechnung getragen und mit Hilfe der nunmehr erforderlichen Ausbildung, die Qualität der Beratungsarbeit abgesichert werden.
Dieses Vorhaben ist bis heute leider nur bedingt gelungen. Nach wie vor leidet die Branche unter einem selbstverschuldeten Qualitätsdefizit, welches von anderen Beratungsberufen des Gesundheits-und Sozialsystems teilweise berechtigt kritisiert wird.
Die Probleme sind folgende:
- Die Gewerbeberechtigung wird in Österreich dezentral von den Gewerbebehörden der Länder durch größtenteils nicht-fachkundige SachbearbeiterInnen nach schlecht überprüfbaren Kriterien vergeben. Die SachbearbeiterInnen holen sich Unterstützung durch die Beiziehung von Fachleuten (Lebens-u. SozialberaterInnen) aus dem Fachverband der Lebens- und Sozialberatung WKO. Diese sind oft selber Ausbildner und/oder betreiben eigene Ausbildungsinstitute. Durch die damit verbundene Interessensvermischung ist eine neutrale und unabhängige Überprüfung der Anträge nicht gewährleistet.
- Die großzügige, oft nicht an Qualitätskriterien orientierte Anrechnungspraxis der Gewerberbehörden mit Beihilfe der Delegierten des Fachverbandes LSB für bereits erworbene Fähigkeiten und Ausbildungsabschlüsse unterminiert laufend alle Bemühungen zur Qualitätssicherung und stellt eine stete Quelle der Entwertung des Berufsstandes dar; Beispiele u.a:
- Die in der 140. Verordnung (GWO1994, konkretisiert durch BGBLII Nr.140/2003) angeführten pauschalen Anrechnungen für bestimmte Berufsausbildungen sind inhaltlich oft nicht gerechtfertigt und verführen zur leichtfertigen Meinung, dass "man sich den Schein ohne viel Mühe besorgen kann". In einigen, dem Autor persönlich bekannten Fällen ist das auch so geschehen.
- Inhaltliche Anrechnungen durch Gewerbebehörden und WKO-Stellen werden teilweise unqualifiziert gehandhabt und betreffen Ausbildungsinhalte, die bereits viele Jahre zurückliegen. Das spricht sich in der Szene herum, was wiederum dem Image der Lebens- u. SozialberaterInnen schadet und die Ausbildungsqualität in Frage stellt.
- Nicht selten kommen InteressentInnen mit der Einstellung "das lasse ich mir alles anrechnen", "ich habe schließlich studiert", "ich brauche nur den Schein, die Ausbildung kann ich mir weitgehend ersparen."
- Studierende in Ausbildung fordern Bestätigungen über von ihnen absolvierte Seminare an, die 20 bis 25 Jahre zurückliegen, um sie bei ihren Ausbildungsinstituten zur Anrechnung einzureichen - das ist absurd!
Die Entwertungen und Geringschätzung rund um den Beratungsberuf “Lebens- u. Sozialberatung” sind hausgemacht, d.h. selbstverschuldet: auf der einen Seite erheben wir den Anspruch eine gute und qualitative Ausbildung für Lebens- und SozialberaterInnen anzubieten, auf der anderen Seite praktizieren wir eine unqualifizierte und großzügige Anrechnungspraxis, welche die Ausbildung unterminiert.
Am Ende schaden wir damit allen: den Studierenden, die eine professionelle Ausbildung zur Ausübung des Berufes suchen, den AbsolventInnen, die einen Berufsstand mit hohem Image brauchen, den Lehrenden, die in ihrer Arbeit ernst genommen werden wollen.
- Akkreditierung: Die Zertifizierung von Ausbildungsinstituten erfolgt durch den Fachverband der LSB im Auftrag des Wissenschaftsministeriums. Derzeit sind Ausbildungsinstitute akkreditiert, deren inhaltliche Curricula von wissenschaftlich ausgewiesenen Beratungsmethoden über Esoterik bis zu weltanschaulichen Angeboten reichen. InstitutsgründerInnen bieten z.T. Eigenkreationen an, die eigentlich besser zur persönlichen Selbstverwirklichung passen. Und wo bitte gibt es vergleichbar eine “christliche Medizin” oder eine “christliche Psychotherapie”? Wären wir ähnlich tolerant bei "Muslimischer Beratung" oder "Wodoo-Beratung”?
Die Gefahr ist, dass die Lebens- u. Sozialberatung zu einer Spielwiese für jedwede Zauberei und persönliche Eitelkeiten verkommt und wir den Anschluss an die Diskussion mit den wissenschaftlich anerkannten Beratungsmethoden verlieren.
Resumee:
- Die Qualität und das Image der Lebens-und SozialberaterInnen müssen dringend verbessert werden.
- Die behördliche Vergabepraxis für die Gewerbeberechtigungen muss vereinheitlicht, professionalisiert und neutralisiert werden (unabhängige Gutachterkommission).
- Die behördliche Anrechnungspraxis für bereits geleistete Ausbildungsinhalte muss auf reale, im Curriculum der LSB - Ausbildung vorhandene und zeitnahe Vorleistungen eingeschränkt werden.
- Die in den Ausbildungen vermittelten Beratungsansätze müssen sich auf wissenschaftlich anerkannte psychotherapeutische und psychologische Methoden stützen.
- Religiösen oder esoterischen Zielrichtungen ist bei aller Wertschätzung die Akkreditierung zu verweigern. Sie gehören zu einer anderen Baustelle.
- Die Ausbildung in LSB muss der anerkannten Logik einer Beraterausbildung folgen, in welcher sich die Elemente Theorie, Praxis, Reflexion der Praxis und Selbsterfahrung in einem wechselseitigen Lernprozess ergänzen.
- Die ausgewiesenen Beratungsqualifikationen müssen tatsächlich in den Lehrgängen in einem seriösen Ausmaß gelehrt werden. „AlleskönnerInnen“ ohne entsprechende Schulung werden nicht ernst genommen.
Viele Lebens- und SozialberaterInnen betreuen ihre KlientInnen mit hohem Engagement und großer Verantwortung. Wir sind es unseren AbsolventInnen und allen Lebens- u. SozialberaterInnen in der Praxis schuldig, seriöse Ausbildungs- u. Zertifizierungsprogramme zu schaffen.
Wir stehen am Beratungsmarkt unter Beobachtung. Machen wir Schluss mit Tricks und Halbheiten! Setzen wir ausschließlich auf Qualität!
Unsere KlientInnen und unsere KollegInnen aus dem Lebens- und Sozialberatungsberuf werden es uns danken.
Dr. Klaus Rückert
www.bildungsmanagement.ac.at
Erschienen in ZukunftsBranchen, Winter 2011/12
Redigiert am 30. Okt. 2013
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