Fairness und Verantwortung -

Mediation als Ausdruck neuer Wertorientierungen

Konflikte sind so alt wie die Menschheit und ebenso ihre Austragungsformen: überwiegend Gewalt, Unterdrückung und Zerstörung. Beispiele dafür, oft mit enormen menschlichen Leid verbunden, gibt es sonder Zahl. Demzufolge ist der Zweifel berechtigt, ob wir je aus unserer Geschichte lernen.
Lernen primär aus Anforderungen der Vernunft oder der Moral scheint in der Menschheitsgeschichte tatsächlich schwach motiviert zu sein. Jedoch auf das Lernen aus Pragmatismus und auf Grund eigener Vorteile können wir uns verlassen. Solches Lernen ist ständig aktuell, sichert unseren Erfolg und ist der Motor der Evolution.

Neue Herausforderungen

  • Die Welt ist „kleiner“ und transparenter geworden, wir sind informiert und wissen über Ereignisse in fernen Ländern in Jetztzeit bescheid. Dadurch werden wir zu Mitbeteiligten und unser Wissen macht uns zu Verantwortlichen.
  • Die Ressourcen an Raum, Nahrung, Energie etc. sind endlich und berechenbar. Die Verknappung führt zu Verteilungskämpfen, wodurch sie weiter zerstört werden. Die Alternative kann nur darin bestehen, sie nachhaltig zu nutzen und zum Wohle aller fair zu verteilen.
  • Das Handeln einzelner Akteure hat globale Auswirkungen. Umweltverschmutzungen durch katastrophale Unfälle, Klimaveränderungen durch menschengemachte Erderwärmung, Wirtschaftskrisen durch Bilanzfälschungen und Börsenmanipulationen, politisch motivierte Terrorakte etc. stellen unsere gewohnten Lebensformen und Sicherheiten zur Diskussion. Wir müssen uns mit der Frage der Verursachung und der gemeinsamen Verantwortung beschäftigen.
  • Internationale Konzerne sind global tätig. Der weltweit freie Warenhandel benachteiligt derzeit viele Entwicklungsländer, ist aber bei fairen Standards auch ihre große Chance der Armut zu entgehen. Verantwortungsbewusste Konsumenten haben auf globale Konzerne großen Einfluss u. a. zur Einführung von Regelungen des Arbeitnehmerschutzes und der Menschenrechte.

Die angeführten Beispiele zeigen auf, in welchem Ausmaß wir Menschen global bereits miteinander verbunden und voneinander abhängig sind. In der Folge dieser Entwicklung haben Nationalstaaten und geschlossene religiöse Systeme als Identitäts- und Sinnstifter ausgedient. Identitäten müssen zukünftig aus individuellen Werten, sozialen Gruppennormen (Peers) und globaler Verantwortung zusammengesetzt sein.Niemand hat Recht oder ist im Besitz der Wahrheit
Alte eskalierende Konfliktlösungsmuster wie Krieg und Rache etc. sind in ökonomischer Hinsicht zu kostspielig, sie vergeuden Menschenleben und materielle Werte und sie wiederholen sich infolge der Eskalationsdynamik mittel- und langfristig immer wieder. Durch unsere globale Informiertheit stehen ungerechte Lebensverhältnisse unter Beobachtung und moralischem Druck. Wir mischen uns ein! Diktatoren können nicht mehr mit der Sicherheit eines ruhigen Lebensabends rechnen.

Die Einmaligkeit des Lebens

Bestrafungsstrategien mit Zielen der Ab- und Ausgrenzung beruhen auf Identitätsmuster alten Stils. Bei Massenverbrechen wie z. B. Völkermord sind diese Strategien aus Zeit- und Kostenökonomie sinnvoll gar nicht mehr durchführbar. Die Wahrheits- und Versöhnungskonferenzen in Südafrika, die Dorfgerichte nach den Massenmorden in Ruanda zeigen uns hier einen alternativen Weg: basierend auf dem Wert der Einmaligkeit des Lebens wird hier an der Zukunftsgestaltung gearbeitet, weil diese die Chancen des Lebens erhöht.

Mediation – Kind der Demokratie

Emotional gesehen kann das gegenwärtige Interesse an Mediation als Sehnsucht der Menschen nach Gerechtigkeit und friedlicher Konfliktregelung verstanden werden.
Mediation ist ein Produkt der Demokratie und fördert selber – einmal etabliert – demokratisches Denken. Fairness und Verantwortung sind wesentliche Inhalte der Diskussion über Nachhaltigkeit, die unser Wirtschaften, unser Zusammenleben und unser Verhältnis zur Natur bestimmen. Bürger ziviler Gesellschaften sind aufgefordert, dafür kräftig mitzuentscheiden.
Das „Bundesgesetz über Mediation in Zivilrechtssachen“ (ZivMediatG 2003) ist die bislang umfassendste und modernste Regelung zur Ausbildung und Ausübung der Mediation in Europa im Bereich Zivilrecht. Zwar kein Berufsgesetz, wird es dennoch die Funktion eines solchen übernehmen und neben der QUALITÄTSENTWICKLUNG für Konsumenten auch zur Entlastung der Gerichte dienen. Im BM f. Justiz wird eine Liste von „Eingetragenen MediatorInnen“ geführt. Akkreditierte Ausbildungseinrichtungen führen nach den gesetzlich vorgegebenen Richtlinien qualitative Ausbildungen durch.
Die Ausübung der Mediation ist nicht an die Listeneintragung gebunden. Diese hat jedoch große Vorteile: das damit verbundene höhere Image, die freiberufliche Ausübung ohne Gewerbeschein, die Fristenhemmung bei laufenden Verfahren und als Wichtigstes: das Verschwiegenheitsrecht für MediatorInnen.
Durch die Etablierung des ZivMediatG in Österreich ist mit einem kräftigen Impuls zur Ausweitung der Praxis der Mediation zu rechnen.

Dr. Klaus Rückert

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