Lisa Waas - Mediative Teamentwicklung

Zeitschrift für Beratungs- und Managementwissenschaften
Ausgabe 2017/01
ISSN 2312–5853

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Lisa Waas 1

Mediative Teamentwicklung*

Zusammenfassung

Nach einführenden Gedanken zu Teams im Allgemeinen und deren Zusammensetzung wird das Modell der „mediativen Teamentwicklung“ vorgestellt. Von zentraler Bedeutung ist die Perspektive, dass AkteurInnen eines Systems im Rahmen einer Meta-Mediation als die bestmöglichen ExpertInnen für dessen Veränderung agieren, wenn sie durch Informationen und soziale Fertigkeiten „empowert“ werden. Spezifika dieses Ansatzes sind ein definierter Stufenplan und die Arbeit mit unterschiedlichen Schwerpunkten, die auf einander aufbauen. Diese Foci und die damit verbundenen Zielsetzungen werden beschrieben.

Abstract

This article starts with thoughts about ´teams´, and the composition of teams. Then the model ´mediative team building´ is introduced, which focusses on the conception that actors in a system are the experts for change having been empowered by information and social skills. This approach is characterized by concentrating on a special focus and working with different priorities. These ´foci´ and their objectives are described.
Keywords: Teamentwicklung, Empowerment, Selbstkompetenzen

1 Lisa Waas M.A., Co- Leiterin der Akademie Perspektivenwechsel, Perspektivenklärung GmbH, langjährige Mediatorin, Organisationsberaterin
Korrespondenz über diesen Artikel ist zu richten Lisa Waas, M.A., Isabellastr. 33, D-80796 München, Tel +49 89 72998158, E-Mail: lisa.waasⒶakademie-perspektivenwechsel.de

1. Teams und Einsatzgebiete von Teamentwicklungen

Was macht ein Team aus?
Ein Team verkörpert eine besondere Form von „Gruppe“, gekennzeichnet durch verbindliche Zugehörigkeit, gemeinsame Ziele und daraus abgeleitete Aufgaben. In Unterscheidung zu einer (Arbeits-) Gruppe können diese Ziele in der Komplexität der damit verbundenen Aufgaben nur durch enge Abstimmung und Zusammenarbeit erreicht werden. Eine engere Definition des Begriffs „Team“ macht Sinn, weil in der Arbeitswelt nicht selten Menschen, die mehr oder weniger zufällig zur gleichen Organisationseinheit dazugerechnet werden, als Teams bezeichnet werden. Nach Manfred Gellert und Claus Nowak sollen bei einem „Team“ in Analogie zu Sportteams folgende Kriterien gegeben sein:

„Auf Zeit zusammengebunden mit gemeinsamer, kommunizierter Zielsetzung – die Rollen und Aufgaben sind klar verteilt und allen Beteiligten bekannt – Verbindlichkeiten in Bezug auf Meetings und Arbeitsabläufe mit wechselseitigen Abhängigkeiten – jeder Einzelnen trägt aktiv zur Lösung der Aufgaben bei – gemeinsame Verantwortung für das Arbeitsergebnis nach außen.“ (Gellert Nowak 2010, S. 21)


Dafür benötigt ein effizientes Team sehr unterschiedliche Teammitglieder. Damit ist von Anfang an ein hohes Konfliktpotential verbunden, die Gefahr sich an diesen Unterschieden aufzureiben. Um die Menschen wirklich miteinander arbeitsfähig zu machen, die sich stark in ihrer Persönlichkeit, ihrer Arbeitsweise und ihrer Art sich auszudrücken unterscheiden, braucht das Team eine mediative Begleitung. Das geht über die üblichen Formate von Teamentwicklung mit moderativen Techniken zur Aufgabenverteilung und Teams-Building-Events weit hinaus.

2. Mediative Teamentwicklung – Begriffsklärung und Spezifika

Was ist das Spezifische an mediativer Teamentwicklung – worin unterscheidet sie sich von anderen Ansätzen?
Viele Teamentwicklungsmaßnahmen orientieren sich an den vier Phasen der Dynamik in Gruppen, wie sie Bruce Tuckman 1965 veröffentlicht hat: Forming – Storming – Norming – Performing. Andere AutorInnen orientieren sich an der Themenzentrierten Interaktion von Ruth Cohn (1975), mit den Koordinaten Ich – wir -es: „Diese drei Faktoren – Einzelner, Gruppe und Aufgabe – werden in der Teamentwicklung so miteinander verknüpft und in Einklang gebracht, dass Synergieeffekte wirksam werden können und das Team seinen Arbeitsauftrag optimal erfüllen kann.“ (Gellert und Nowak 2010, S.163)
Bei einer mediativen Teamentwicklung handelt es sich um eine besondere Form der Teamentwicklung nach den Grundsätzen der Aktionsforschung mit schrittweisem Vorgehen entsprechend definierter Schwerpunkte (Foci). Die zentralen Aspekte der Aktionsforschung bezüglich der mediativen Teamentwicklung sind, dass die Beteiligten mittels eines iterativ-dialogischen Vorgehens als ExpertInnen für ihr System ernstgenommen werden. Sie werden nicht nur befragt – sondern sie setzen sich mit den von ihnen generierten Daten selbst analytisch auseinander, erkennen deren praktischen Bedeutungsgehalt für das System, leiten daraus selbst praktische Umsetzungserkenntnisse ab und beschließen deren schrittweise Erprobung im Alltag über einen längeren Zeitraum hinweg. Die Prozessverantwortlichen, als „Team-GefährtInnen“ bezeichnet, folgen gemäß einem äußeren (AuftraggeberIn) und einem inneren (Beteiligte) Auftrag einer Reihe von Schritten mit unterschiedlichen Schwerpunkten, die aufeinander aufbauen, beginnend beim Einzelnen im System bis hin zum gesamten Team in seiner Umwelt innerhalb und außerhalb des Systems. Das Wesentliche in der mediativen Teamentwicklung ist die innere Haltung der TeambegleiterInnen – sie sehen sich eher als GefährtInnen der Teammitglieder auf deren Entwicklungsreise, als deren „EntwicklerInnen“.
Wie auch in der Mediation liegt die Grundannahme darin, dass die Teammitglieder die ExpertInnen ihres Systems sind und über ein umfassendes implizites Wissen verfügen. Die Aufgabe der TeambegleiterInnen ist es, als KatalysatorInnen für Entwicklungsprozesse zu dienen, das implizite Wissen der Einzelnen zu einem expliziten Wissen zu machen, das für alle zugänglich ist.
Im Unterschied zu einer Teammediation geben die TeambegleiterInnen entsprechenden fachlichen Imput, wenn dieser als Bedarf von den Beteiligten erkannt und gewünscht wird. Vom Vorgehen entspricht die mediative Teamentwicklung der Entwicklung und Implementierung von Konfliktklärungssystemen (vgl. Waas 2015) in einem Subsystem einer Organisation.

3. Das iterative dialogische Vorgehen in der mediativen Teamentwicklung

„Fahrplan“ von idealtypischer mediativer Teamentwicklung:

  • Auftragsklärungsgespräch mit Auftraggeberin („äußerer Auftrag“) – bei Teamleitung ebenfalls Auftragsklärung („innerer Auftrag“);
  • Einzelinterviews;
  • Rückspiegelung der Daten – entweder als eigener Rückspiegelungsworkshop oder als Teil der 2-3 tägigen Teamentwicklung;
  • Einbeziehung der Foci als „innerer Leitfaden“ für TeamentwicklerInnen oder Team-GefährtInnen;
  • Verbindlichkeit des veränderten Umgangs miteinander, neuer Kommunikationswege/-gefäße und Nachhaltigkeit durch Evaluation am Ende der Teamentwicklung oder in Transferveranstaltungen.

Zunächst werden in mediativen Einzelgesprächen Daten erhoben, die dann anonymisiert ausschließlich der Gruppe von Befragten wieder zurückgespiegelt werden.
Aus der Reaktion der Befragten auf die Präsentation ihrer individuell und in der Gruppe erhobenen Daten können sich die Beteiligten einen Überblick und eine gemeinsame Einschätzung zu den zu behandelnden Themen verschaffen, die wiederum die Grundlage für Entscheidungen bezüglich der Optionen fürs weitere gemeinsame Vorgehen darstellen. Diese gemeinsamen Entscheidungen sollen dann zwischen den Workshops umgesetzt und erprobt werden. In den darauf folgenden Workshops werden die damit gemachten Erfahrungen besprochen und evaluiert, gegebenenfalls modifiziert, in dieser Form wieder im Alltag erprobt usw., bis sie als verbindliche Absprachen in der Orga(einheit) etabliert werden (bis sie eines Tages als nicht mehr passend identifiziert und dann erneut überarbeitet werden).
Mediative Teamentwicklung bietet damit eine gute Möglichkeit um Organisationseinheiten bei Veränderungsprozessen aufzubauen und evolutionär zu begleiten.
Idealerweise konzentriert sich das Vorgehen in einer mediativen Teamentwicklung auf vier unterschiedliche Schwerpunkte – auch als „Foci“ bezeichnet. Die konkrete Arbeit mit den Foci bezieht sich auf die aktuelle Situation der Teammitglieder und deren Beispiele und Erfahrungen.

  • Focus 1: „Ich“ im System
  • Focus 2: „Ich und Du“ im System
  • Focus 3: „Wir“ – das ganze Team im System – auch Unterteams im Team
  • Focus 4: Das Team in der Organisation

 

4. Die einzelnen Foci und ihre jeweiligen Zielsetzungen

Focus 1: „Ich“ im System
Im ersten Fokus „Ich im System“ liegt der Schwerpunkt darauf, Angebote so zu gestalten, dass die einzelnen Individuen im System ihre Selbstkompetenzen steigern können. Dazu gehören die Fähigkeiten zur Selbstwahrnehmung, zum Erkennen eigener und systemimmanenter Belastungen, inklusive der Reflexion der eigenen Einstellungen dazu. Häufig wird beispielweise Wissen über Entstehung und Wirkung von Stressphänomenen und die individuellen Reaktionen und die individuell unterschiedlichen Möglichkeiten des Umgangs damit benötigt und zur Verfügung gestellt. Im Kontext von Selbstkompetenz ist besonders wichtig zu vermitteln: eigene Bedürfnisse erkennen und die souveräne Akzeptanz davon, dass andere Menschen zwar ähnliche Grundbedürfnisse haben, aber die Erfüllung dieser Bedürfnisse ganz andere Formen annehmen kann als bei einem selbst.

Focus 2: „Ich und Du“ im System
Im 2. Fokus liegt der Schwerpunkt auf der Interaktion mit einem anderen Individuum – der Kommunikationsfähigkeit – es geht um angemessene Möglichkeiten von Selbstausdruck, die Wahrnehmung von und die Kommunikation mit einem Gegenüber. Dabei ist es zentral die Fertigkeit zu erlernen zuzuhören – mit der inneren Haltung verstehen zu wollen, was die sprechende Person der GesprächspartnerIn mitteilen möchte. Außerdem geht es darum die eigenen Wahrnehmungen so zu äußern, dass das Gegenüber sich die Wahrnehmungen und Bedürfnisse des Sprechenden offen anhören kann, d.h. ohne in eine Angriffs- oder Verteidigungshaltung zu geraten. Die Grundlagen der gewaltfreien Kommunikation von Marshall Rosenberg werden an Alltagssituationen der Beteiligten trainiert.

Focus 3: „Wir“ – das ganze Team im System – auch Unterteams im Team
Hier findet sich das Themenspektrum der „klassischen“ Teamentwicklung wieder. Schwerpunkte in diesem Focus sind: die „Gestalt“ des Teams – Wie wird das Team aus der Perspektive der einzelnen Teammitglieder wahrgenommen? Welche Rollen werden im Team wie besetzt, welche werden mehrfach besetzt und welche sind unterrepräsentiert? Wo befindet sich das Team im Zyklus der Teamphasen? Welche Veränderungsprozesse finden statt und wie ist der Umgang damit? – Welche Team-Kultur(en) mit ihren spezifischen Normen und Werten nehmen die Teammitglieder wahr? Welche Auswirkungen haben diese Wahrnehmungen auf die Zusammenarbeit? Wie erleben die Teammitglieder ihren Umgang mit Zielen und Aufgaben? Welche Veränderungswünsche und Möglichkeiten sehen die Teammitglieder? Wie wird die Rolle und Wirkung der Teamleitung von den einzelnen Teammitgliedern erlebt?

Focus 4: Das Team in der Organisation
Hier liegt der Schwerpunkt der Betrachtung auf dem Blick des Teams auf das organisationelle Umfeld intern, eventuell auch auf Kontaktstellen außerhalb der Organisation, zum Beispiel zu Klientensystemen. Wie kann das, was das Team für sich entwickelt hat konstruktiv in das Gesamtsystem eingebracht werden? Wie verhält sich die Gesamtorganisation in ihrem Entwicklungszustand in Interaktion mit den Entwicklungszyklen des Teams? Möglicherweise auch: Wie steht die Projektorganisation in Relation zu den Fachabteilungen? Welche Bedeutungen und Wechselwirkungen sind damit für die Arbeit im Team verbunden?
Welche Aspekte der Organisationskultur wirken sich wie auf die Teamkultur aus und umgekehrt: welche Einflüsse der veränderten Teamkultur werden von außen wie wahrgenommen?
Möglicherweise setzt sich das Team aus Mitgliedern aus unterschiedlichen Organisations-/ Unternehmenskulturen zusammen. Zentrale Fragen, die zu diesem Zeitpunkt von den TeambegleiterInnen eingebracht werden sollten:

  • Welche Wechselwirkungen nach innen und außen werden aus unterschiedlichen Perspektiven wahrgenommen?
  • Wie können Reibungsverluste vermieden und die Kommunikation und Kooperation organisationsweit verbessert werden?
  • Wie können bestimmte Vorgehensweisen, Abläufe und Kommunikationswege, die sich im Team bewährt haben, so vermittelt und auch für andere erlebbar gemacht werden, dass sie auch von anderen Systemeinheiten ausprobiert und eventuell implementiert werden?

5. Zeitpunkte für mediative Teamentwicklung

Es ist sinnvoll, schon vor der Besetzung von Teams mit mediativer Teamentwicklung zu arbeiten, um die Akzeptanz für bewusst heterogen besetzte Teams zu schaffen. Gleichzeitig sollte „mediative Führungskompetenz“ organisationsweit trainiert und implementiert werden, um die passenden Führungskräfte für mediativ entwickelte Teams bereit stellen zu können. Diese werden die Sinnhaftigkeit erkennen, den ganzen Teamzyklus von der Teamentstehung bis zur Teamauflösung mediativ zu begleiten und gegebenenfalls auch externe Unterstützung dafür in Anspruch nehmen.
Wenn das organisationale Lernen funktioniert, dann wird in den folgenden Teamentwicklungsprozessen kontinuierlich die Arbeit an den Foci 1 und 2 in kürzerer Zeit eine höhere Intensität erreichen. Dementsprechend wird auch die Abstimmung untereinander auf der Focusebene 3 und 4 schneller zielführend funktionieren.
Das aufwändige Verfahren einer mediativen Teamentwicklung lohnt sich auch dann, wenn zu erwarten ist, dass sich das Team in seiner Zusammensetzung in absehbarer Zeit verändern wird. Die einzelnen Teammitglieder haben viele grundlegenden Aspekte konstruktiver Kommunikation und Kooperation gelernt und damit Erfahrungen in der Zusammenarbeit gesammelt, die sie auch in neuen Konstellationen gewinnbringend für sich, das Team und die Organisation einsetzen können.

Literatur

Cohn, Ruth (1975). Von der Psychoanalyse zur Themenzentrierten Interaktion. Klett-Cotta, Stuttgart.

Gellert, Manfred; Nowak, Claus (2010). Teamarbeit- Teamentwicklung – Teamberatung: Ein Praxisbuch für die Arbeit in und mit Teams. Verlag Christa Limmer, Meezen.

Pohl, Michael; Witt, Jürgen (2000). Innovative Teamarbeit zwischen Konflikt und Kooperation. Verlag Sauer, Heidelberg.

Waas, Lisa (2015). Was ist ein Konfliktklärungssystem? http://www.akademie-perspektivenwechsel.de/waas-kks/. Abrufdatum: 24.05.2017.

Waas, L.; Ertl, C. (2008). Kooperative Konfliktlösungskulturen in Organisationen. In Mehta Gerda; Rückert Klaus (Hg.) Mediation – Instrument der Konfliktregelung und Dienstleistung, (215-225).

Waas, Lisa (2007). Die Entwicklung und Implementierung von Konfliktklärungssystemen: ein neues Aufgabenfeld für MediatorInnen. In Bundesverband Mediation: Frischer Wind für Mediation, Schriftenreihe Band 3, (116-128).


Eingegangen: 02.01.2017
Peer Review: 15.01.2017
Angenommen: 06.02.2017

 

Diesen Artikel zitieren als:
Waas L. (2017). Mediative Teamentwicklung. Zeitschrift für Beratungs- und Managementwissenschaften, 3, 56–59.

Autorin

Lisa Waas, M.A.; Kulturanthropologin, Mediatorin BM, SDM und Ausbilderin Mediation BM (Bundesverband Mediation), Mediation und Konfliktberatung u.a. für EntscheiderInnen und Personalvertretung, entwickelt Teams und Konfliktklärungssysteme, arbeitet als Coach, Supervisorin, Humortrainerin – auch im interkulturellen Kontext. Geschäftsführerin Perspektivenklärung GmbH – akademie perspektivenwechsel, München.

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