Gerda Metha, Alexander Eder - Editorial

Zeitschrift für Beratungs- und Managementwissenschaften
Ausgabe 2018/01
ISSN 2312–5853

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Gerda Methda, Alexander Eder 

Editorial *

Toleranz besteht nicht darin,
dass man die Ansicht eines anderen teilt, sondern nur darin,
dass man dem anderen das Recht einräumt,
überhaupt anderer Ansicht zu sein.

Der Weg dahin ist jedoch
manchmal ein langer, steiniger.
Leben mit Vielfalt und in Vielfalt
muss gelernt sein.


Unterstützung von außen
kann dazu gebraucht werden.

(Viktor E. Frankl)

Man könnte sich fragen – und viele werden das auch tun – warum sollten sich Menschen in andere Angelegenheiten einmischen, in andere politische Debatten, Kämpfe, Kriege? Wer nimmt sich das Recht, Völker, Staaten, Interessengruppen zu bedrohen, nur weil man selber glaubt, man müsse den einen oder anderen unterstützen oder diesen oder jenen (eigenen) Wert verteidigen?

Das neue Wort „facilitieren“ beschreibt, für welchen Wert und wie sich „Peace keeper“ und „Peace builder“, sog. „neutrale“, engagierte Dritte, bei drohenden Konflikten, in und nach Konflikten anderer einsetzen. Sie treten nicht als SchiedsrichterIn oder MissionarIn auf. Sie sind MittlerIn, BefürworterIn des Dialogs. Sie verstehen sich als Friedensförderer.
Inmitten der Hitze des Gefechts braucht es dialogisches Knowhow der FacilitatorInnen, so wird angenommen. Durch (internationale) Friedenseinsätze, sei es auf der persönlicher, Organisations- oder auch Staatenebene, versucht man zu facilitieren. Interventionen sollen Chancen erhöhen, dass die Anliegen aller Involvierten (wieder) gegenseitiges Gehör bekommen, dass Gewalt und weitere Unterdrückung vermieden oder langjährige Feindschaft und deren Ausbruch verhindert werden kann.
Über unterschiedliche Formen der Dialogkompetenz können Sie, liebe Leserin, lieber Leser, in dieser Ausgabe aus erster Hand erfahren. Menschen mit verschiedenen Professionen (PolizistInnen, JuristInnen, ForscherInnen, PsychotherapeutInnen, Konfliktmanagement-InstitutionsvertreterInnen, u.a.) begaben sich beruflich in den „Kugelhagel“ zwischen sehr kalt gewordenen Fronten oder in Eiszeiten zwischen Nationen, Gemeinschaften und Menschen. Sie waren dabei und mitten drin. Sie haben sich eingelassen und Wege gesucht zu facilitieren, zu unterstützen, ohne zu bevormunden, zu bestrafen, auszurasten, allein zu lassen oder zu fliehen. Sie haben Methoden und professionelles Knowhow zusammengetragen, damit nach massiven Geschehnissen nicht Strafe, Feindschaft und Hass, sondern Überwindung und „restorative justice“ langsam wieder Platz greifen konnten und können. Sie haben facilitiert. Sie haben unterstützt, zum Finden eines Weges, der Koexistenz nachhaltig wieder hoffen lässt oder sogar möglich machen kann: ohne Bevormundung, Übernahme, Okkupation, usw., denn die Sache selber, die Inhalte, ihre Geschichte mit- und gegeneinander braucht direkte Bearbeitung, um zukünftige Formen des Miteinanders zu finden. FacilitatorInnen unterstützen dabei, indem sie Plattformen schaffen und Prozesse des Aushandelns zu behüten versuchen.

Inzwischen scheint FacilitatorIn (peace builder / peacekeeper) bereits eine Berufung mit Beruf geworden zu sein. Friedensförderung und Friedenserziehung haben sich zu einer eigenständigen Disziplin entwickelt, mit akademischer Repräsentation, eigenständiger Forschung und Lehre. Denn für Friedenseinsätze gibt es inzwischen bewährtes Knowhow, Schulungen und gemeinsam entwickelte Qualitätsstandards. Anbieter von Kursen, Lehrgängen und Masterstudien sind bereits weltweit im Internet zu finden.
Die Europäische Union hat im Rahmen von Horizon 2020 ein Projekt gefördert (Nr. 700583), das „good practice“ des PeaceTrainings zusammengetragen hat. Eine Plattform für PeaceTrainings wurde geschaffen, in der Sie eine Übersicht über Trainingsinstitute und TrainerInnen finden, sowie Informationen über Inhalte von Curricula und woraus ein Curriculum bestehen soll: www.peacetraining.eu. Sie können sich auch registrieren lassen, wenn Sie sich als TrainerIn qualifizieren.

Im Zuge des Peacetrainingprojekts wurde auch diese Ausgabe des ARGE - online Journals gefördert, denn die ARGE Bildungsmanagement ist eines der Consortiumsmitglieder des Projekts.

In dieser Ausgabe finden Sie unterschiedliche Herangehensweisen und Aspekte, Dialogmöglichkeiten zu unterstützen bzw. sicherzustellen – vor, während und nach Eskalationen. Sie erhalten Einblicke in Diapraxis / Friedensdialoge (Pokhmelkina, Graf, Kramer), Bereitstellung von Polizei-Knowhow für die Wiedererlangung von Sicherheit und Vertrauen in eine funktionierende Gemeinschaft (Hubegger) und psychotherapeutische Herangehensweisen (Lebeth), die helfen können, Empowerment zu erlangen, um wieder für sich selbst eintreten zu können. Sie lernen auch einen Ansatz kennen, wie Aktionsforschung in einem laufenden Projekt vor sich gehen kann – mit einer Insiderin und einer Facilitatorin aus dem anderssprachigen Ausland, beide aber leidenschaftliche Friedensförderinnen und Forscherinnnen.

Weitere Beiträge behandeln Knowhow zur Vermittlung in Peacetraining-Curricula – wie eine tiefgründige Auseinandersetzung mit dem Begriff der Neutralität (Wilson), der Diapraxis (Pokhmelkina, Graf / Kramer), dem Einsatz von Montessori - orientiertem Lernen (Manojlovic) und warum Kunst als Weg des Ausdrucks gewählt werden kann, wenn die Fronten sehr angespannt sind oder waren (Ieligulashvili) und welche Gefahren das auch beinhalten kann.

Sie werden entdecken, dass es einen kleinen Schwerpunkt gibt bzgl. der Reflexion der facilitatorischen Möglichkeiten zur aktuellen Lage in der Ukraine / Russland. Vier AktivistInnen der Diapraxis (Russland, Deutschland, Ukraine) kommen zu Wort. Der aus Ukraine stammende Mediator Andrii Gusiev gibt Einblicke in die Hintergründe vor Ort zur Entwicklung von Mediation in der Ukraine, auch in schweren Zeiten.

Für näher Interessierte gibt es Anleitungen, wie Sie im Internet Informationen und Kurse finden können, um sich im Selbststudium schlau zu machen und weitere Kompetenzen zu erwerben. Durch die Online-Version dieser Ausgabe erhalten Sie den besonderen Service, diese Stellen gleich finden zu können. Bei Bewerbungen im Peacebuilding- und Peacekeeping-Sektor wird Vorerfahrung und Knowhow vorausgesetzt. Es ist inzwischen ein Beruf geworden – eine wichtige Dienstleistung zum Leben aller miteinander.

Über Rückmeldungen zu dieser Ausgabe freuen wir uns.

Herzlich

Gerda Mehta und Alexander Eder, im Namen des ganzen ARGE-Teams

© ARGE Bildungsmanagement. Dieser Open Access Artikel unterliegt den Bedingungen der ARGE Bildungsmanagement, welche die Nutzung, Verbreitung und Wiedergabe erlaubt, sofern die ursprüngliche Arbeit richtig zitiert wird.

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