ARGE Bildungsmanagement engagiert sich in Rumänien

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Neue Wege zum Konsens in der europäischen Kulturhauptstadt Sibiu / Hermannnstadt

ARGE Bildungsmanagement in Sibiu

Die ARGE Bildungsmanagement beteiligte sich im Mai 2007 an einer Mediationstagung, die Frau Dagmar Schramm-Grüber von IKOM-Frankfurt mit der evangelischen Akademie in Sibiu/Hermannstadt unter der Leitung von Jürgen Henkel und mit Hilfe der Unterstützung der Friedrich-Ebert-Stiftung, in Rumänien veranstaltet hat.

Es ist an eine Fortsetzung gedacht – einerseits die Herausgabe und Übersetzung eines Mediationsbuches auf Deutsch/Rumänisch, andererseits die Veranstaltung von Aus- und Weiterbildungen in Mediation in Sibiu.

Nachfolgend eine Beschreibung über die Tagung:

  • 2007 wurde Sibiu gemeinsam mit Luxemburg zur europäischen Kulturhauptstadt ernannt. Die Stadt wurde im 12. Jahrhundert von Sachsen gegründet und liegt inmitten des Karpatenbogens in Rumänien. Als Hauptstadt von Transilvanien beheimatet sie Siebenbürger, Landler, Zigeuner, Roma, Rumänen und inzwischen auch so manche neu zugereiste Westeuropäer. Der Bürgermeister ist Herr Klaus Johannis, ein ehemaliger Physikprofessor des dortigen Deutschen Gymnasiums. Unter seiner Amtszeit wurden viele kommunale Erneuerungen durchgeführt z.B. Strom-, Gas- und Wasserleitungen neu verlegt, die Altstadt gepflastert und mit schmückenden Straßenlampen ausgestattet, das neue Rathaus vorbildlich im Sinne von Bürgernähe und Barrieretauglichkeit renoviert etc. Die renovierten Altstadthäuser lassen die Stadt mit ca. 150.000 Einwohnern in neuem alten Glanz erscheinen. Allerdings muss noch viel investiert werden, um die zahlreichen malerischen, alten und hohen Dächer der Stadt und ihre darunterliegenden Häuser vor dem Verfall zu retten.

    Nach 1989 sind viele Siebenbürger Sachsen in den Westen ausgewandert. Die Bevölkerung ist geschrumpft, besonders unter denen, die Verbindungen, Kontakte und Verwandte im „Westen“ hatten. Die Stadt erholt sich langsam von diesem massiven Exodus und die Menschen beginnen wieder an eine Zukunft zu glauben.

    Dagmar Schramm-Grüber, Leiterin der IKOM-Frankfurt (www.ikom-frankfurt.de), initiierte vor 3 Jahren eine Projektgruppe zur Implementierung der Mediation in Rumänien. Sie hat ihre ersten Lebensjahre in diesem Land verbracht. Mit Gründergeist und langjähriger Ausbildungserfahrung für Mediation in Deutschland ausgestattet, brachte sie eine Gruppe von 12 „Oldies“ aus der Mediationsszene und Ortskundige aus Rumänien zusammen. Die offene Prozessorientierung, die Schaffung und Bereitstellung von passenden Strukturen für die zu erarbeitenden Inhalte und Ziele, zog sich wie ein roter Faden durch die Vorbereitung, Durchführung und Weiterführung der Tagung.

    Die evangelische Akademie Siebenbürgen (EAS) im Stadtteil Neppendorf unter der Leitung von Herrn Dr. Jürgen Henkel ist ein idyllischer Veranstaltungsort, wo sich Menschen begegnen können, denen Beiträge für ein friedliches Miteinander wichtig sind. Die alte Tradition der Versöhnungstheologie im Sinne des dort amtierenden evangelischen Bischofs Christoph Klein bekam durch die Mediationskonferenz eine sinnvolle Ergänzung. Mediation passt zur Schwerpunktsetzung der Akademie in Ökumene, Sozial- und Umweltschutzpolitik.
    U.a. wird dort vom 10.-12.9. die 3. Hermannstädter Sozialkonferenz „Zukunft des Sozialstaats in Europa“ stattfinden (www.eas.neppendorf.de).

  • Der Titel der Tagung, die vom 11.bis 13. Mai 2007 stattfand, lautete: „Neue Wege zum Konsens: gutes Verhandeln und produktives
    Streiten in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik“
    .

    Eine Vielfalt von Berufsgruppen waren auf dieser Tagung vertreten:
    MediatorInnen, SozialberaterInnen, PsychotherapeutInnen, RechtsanwältInnen, Pfarrer, BeraterInnen, ProjektmanagerInnen, VoluntärInnen, Ökonomen und zahlreiche an Mediation interessierte Personen; weiters PsychologInnen, SoziologInnen und EthnologInnen aus verschiedenen Städten Rumäniens, Heidelberg, Dresden, Berlin,
    Maribor, Wien, Luzern, Bern, Frankfurt, Moskau und Sofia.

    • Joseph Duss-von Werdt führte in die alte Tradition der Mediation und ihre junge Profession ein. Mediation und Diplomatie bewirkten nämlich im Laufe der Geschichte immer wieder wichtige Weichenstellungen, die mächtige, nachhaltige Veränderungen mit sich brachten.
    • Peter Eschweiler erläuterte die Erwartungen der europäischen Union und des Europarates an Gericht und Mediation. Die in beiden Verfahren liegenden Chancen und Nachteile wurden anhand eines Beispiels aus der Praxis anschaulich gemacht.
    • Gerda Mehta reflektierte den möglichen gesellschaftlichen Nutzen der Mediation, sofern sie Bestandteil der Kulturtechniken einer Gesellschaft ist. Die Eigenverantwortung für Konflikte und deren Bereinigung bringt mehr Autonomie für das soziale Miteinander.

    Auch die Anwendungsfelder der Mediation wurden vorgestellt:
    • Hermann Zebisch brachte ein Beispiel aus der Wirtschaftsmediation.
    • Katalin Suter und Thomas Spalinger demonstrierten die Herausforderungen der Interkulturellen Mediation in Non-Profit-Organisationen.
    • Dorothea Lochmann zeigte die sensible mediative Herangehensweise bei Nachbarschaftskonflikten.
    • Galina Pokhmelkina und Gerda Mehta referierten über Mediation im Schulbereich, über die Notwendigkeit der Offenheit gegenüber den spezifischen Bedürfnissen und Ausdrucksmitteln von Kindern und Jugendlichen.
    • Mediatives Handeln im kirchlichen Bereich und in der Ehe-, Familien- und Lebensberatung bedarf eines differenzierten Konfliktverstehens: das kam im Workshop von Gernot Czell zum Ausdruck.
    • Die Gegenüberstellung von gerichtlichem und Mediationsverfahren bei Scheidungen und die Auswirkungen auf die Kinder wurden im Workshop von Dagmar Schramm-Grüber und Joachim Hiersemann aufgezeigt.
    • Dass Mediation mit Großgruppen weitere Kompetenzenerfordert, konnte man am Beispiel eines Umweltkonflikts im Workshop von Hermann Zebisch erleben.
  • Die Beratungsform Mediation entwickelt sich in vielen Ländern. Dabei werden regionale Unterschiede sichtbar und auch was unter Mediation zu verstehen sei, mag einen Hauch von Lokalcolorit erhalten. In Slowenien zum Beispiel gibt es schon seit den 70er Jahren eine Tradition der Familienmediation, die sich aus der Scheidungsberatung entwickelte. MediatorInnen kennen einander in dem eher kleinen Land. In letzter Zeit expandierte vor allem die Wirtschaftsmediation.
    Die Mediation in Russland ist ebenso noch eine relativ junge Disziplin mit Initiativen zumindest in Moskau, Sankt Petersburg und Rostov. Engagierte Gruppen tragen rege dazu bei, dass sich Mediation auch in anderen Städten etabliert, obwohl sich Autonomie und Transparenz, individuelle Bedürfnisorientierung und offene Interessensregelung in diesem Land eher noch fremdartig anfühlen.
    In Rumänien ist die Bekanntschaft mit Mediation erst am Anfang, u. a. wurden ca. 400 MediatorInnen von Amerikanern für gerichtsnahe Mediation und weitere MediatorInnen im Rahmen des Strafgerichts in einem Projekt gemeinsam mit Neustart Österreich ausgebildet, diverse EU- Projekte laufen.
    Die Demonstration einer Mediation zwischen Schülern verschiedenen Religionsbekenntnisses und die unterschiedlichen Entwicklungen der Mediation in verschiedenen Ländern erlaubte Einsichten und Anregungen für eine Intensivierung der Mediationstätigkeit selbst. Die lebendige Diskussion und die konkreten Pläne von RumänInnen zeugten von hohem Interesse.

  • Der Mediationskongress bot Gelegenheit zum Dialog auf vielen Ebenen:
    1. Die Veranstalter stammen aus unterschiedlichen Ländern, Traditionen und Ausbildungsvereinen. Eine Kooperationsform musste über die Distanz im Vorfeld erarbeitet werden. Lokale Traditionen (repräsentiert durch Jürgen Henkel, EAS) und
      „westliche“ Vorstellungen über „professionelle Standa
      rds“ einer Kongressplanung (Dagmar Schramm-Grüber, IKOM Frankfurt, Gernot Czell als ehem. Vertreter der evangelischen Beratungstellen in Deutschland, und Klaus Rückert, ARGE
      Bildungsmanagement) galt es zusammenzubringen.
    2. Für viele ReferentInnen entstand erst vor Ort eine erste direkte Begegnung. Allen gemeinsam war das Bemühen um die Entwicklung und Implementierung der Mediation
      und die Freude am Dialog mit Anderen.
    3. Die TeilnehmerInnen kamen aus verschiedenen Kulturen und Herkunftsländern. Das schöne Wetter, der freundliche Rahmen des Hauses und die gemeinsamen Mahlzeiten schufen viele Gelegenheiten zum Austausch und zur Begegnung. Im Sprachgewirr gab es Hilfe durch DolmetscherInnen oder
      die Wahl von Fremdsprachen. Ein ganz besonderes Erlebnis war es, auch in der Fremde so viel Deutschsprechende an zu treffen, denn für viele Siebenbürger ist Deutsch noch immer ihre Muttersprache.
    4. Menschen aus unterschiedlichen Konfliktlösungstraditionen kamen miteinander ins Gespräch, Erfahrungen und Werthaltungen, ab
      er auch Denktraditionen und Identitäten prägten unterschiedliche Standpunkte: Raum für Darstellung und Diskussion fand sowohl die kollektivistisch ausgerichtete Beilegung von Konflikten bei den Roma enbenso wie die auf Autonomie und Selbstverantwortung fußende Denkweise in der Mediation im Westen oder die kommunistische Tradition, in der vorgegebene Ideale,
      Vorbilder und Vorgaben richtungsweisend für menschliches Verhalten sind. Interessant war auch die Darstellung der Tradition in Slowenien, einem kleinen Land, das im Laufe der Geschichte immer wieder von einem anderen größeren Land okkupiert wurde, wo Autonomie und Zugehörigkeit wie selbstverständlich koexistierten, und der Situation Österreich, das sich noch immer einen Schimmer des „der Kongress tanzt“, oder- „wir werden schon kann Richter brauchen“ bewahrt hat, und der Lage in der Schweiz, mit ihrer langen Tradition der direkten Abstimmungen über Angelegenheiten des öffentlichen Lebens. Die anwesenden Siebenbürger Sachsen und die viele Volksstämme und Religionen vereinende rumänische Mehrheit zeigten uns Ihre Erfahrungen, mit
      Vielheit und Wandel zu leben.
    5. Die KongressteilnehmerInnen haben während der letzten 20 Jahre in ihren Ländern unterschiedliche ökonomische und politische Veränderungen erlebt und damit auch ganz unterschiedliche (Über)lebensbedingungen, Wertediskurse und Möglichkeiten der
      (Selbst)Verwirklichung und Lebensabsicherung erfahren. Diese Zeiten hinterließen bei Ihnen mitunter auch Friedhöfe von Visionen, Träumen, Traumata und Lebenskonzepten, sowie Ungerechtigkeiten und Leid. Das gemeinsame, persönliche
      und professionelle Engagement für die Mediation leitete jedoch alle durch die 3 intensiven Tage.
  • Was wurde erreicht?
    Viele Dialoge haben sich ergeben, Zukunft wurde entworfen. Die
    Stimmung wurde von einem „Aufeinander-Hören“, „Jedem Platz geben“ und „Für sich selber Platz finden“ getragen. Das Interesse für die Lebenswelten der Anderen hat eine Begegnung ermöglicht, in der tiefgehende Gespräche geführt und neue Freundschaften schlossen wurden.

    Es besteht Hoffnung für eine dauerhafte Stabilisierung in Europa. Ein wichtiger Beitrag dazu, so meinten viele Anwesenden, ist die Beilegung von Streit untereinander und das Eindämmen der Tendenz zur Regelwut (-flut). Wenn sich die Menschen mehr um ihre Konflikte kümmern, können diese rascher beigelegt werden, und persönliche Spielräume erhalten bleiben.

    Der Austausch zwischen Menschen aus verschiedenen europäischen
    Städten zeigte, dass sich Mediation regional unterschiedlich etabliert
    und gestaltet. Der Dialog über die Grenzen hinweg machte deutlich, dass Mediation viele Spielformen braucht, um transparent, offen
    und fair zu bleiben und um damit tatsächlich interessens- und bedürfnisorientiert im Sinne der MediandInnen zu sein.

Wien und Frankfurt, im Mai 2007
Gerda Mehta, ARGE Bildungsmanagement
Dagmar Schramm-Grüber, IKOM Frankfurt